Benjamin Schmidt wurde 1989 geboren und hat in seinem Leben schon einiges durchstehen und erleben müssen. Aber vielleicht gerade deshalb klingt seine Musik so authentisch und vielleicht gerade deshalb gehen seine Bücher so dermaßen unter die Haut, das man sie nicht mehr so schnell vergessen kann.
Neben seiner Arbeit als Autor und Grafiker ist er auch musikalisch in mehreren Projekten aktiv. Er ist der kreative Kopf hinter dem Death-Rock/Post-Punk-Projekts Spinne am Abend und Gitarrist des Berliner Dark-Punk-Duos Gruftschlampen.
2009 war für ihn ein besonders schicksalsträchtiges Jahr. Benjamin Schmidt wollte Suizid begehen, aber der Versuch hat nicht geklappt, doch trug er eine inkomplette Querschittslähmung davon und bezeichnet sich seit diesem Moment selber als "Teilzeit-Rollstuhlfahrer". Über seine Einschränkungen schreibt er offen in seinen Büchern wie "Schon immer ein Krüppel" oder "Fuck[dis]Ability]". Der seit über fünf Jahren in Berlin lebende Künstler veröffentlichte kürzlich sein bereits fünftes Werk über Edition Outbird: "Mein Mann von unter der Brücke".
Wir haben mit Benjamin Schmidt nicht nur über seinen neuesten Roman und über seine Musikprojekte gesprochen, sondern auch über sein Leben in der Großstadt Berlin und seinen "missglückten" Suizid-Versuch.
ACHTUNG: J.D.W.E. Möchte an dieser Stelle eine Trigger-Warnung aussprechen, denn manche Details, die uns Benjamin verraten hat, sind wirklich nicht ohne...
J.D.W.E.: Lieber Benjamin! Ich bin wirklich neugierig, was du uns alles erzählen wirst. Aber fangen wir doch ganz gemütlich an. Wie geht es dir und wie war dein Tag bis jetzt?
Benjamin Schmidt: Oh, das schmeichelt mir, danke. Ich bin auch sehr gespannt, nur war mein Tag heute bisher nicht besonders glanzvoll. Ich bin aufgewacht, habe entschieden, dass es nicht schlimm ist, wenn ich bereits Wein trinke, dann habe ich eine Serie angeschaut und später noch einen Live-Mitschnitt von King Diamond – fantastisch! Nun ist es 18:25 Uhr und ich beginne zu arbeiten. Ganz gemütlich beantworte ich also deine Fragen und denke, ich kann sagen, dass es mir damit ganz gut geht.
J.D.W.E.: Erzähl uns von einem typischen Tagesablauf bei dir?
Benjamin Schmidt: Den gibt es eigentlich nicht. Mein Job als Grafiker in der Eventbranche ist derzeit den Umständen entsprechend unstet und meine Tätigkeit als Künstler ausgesprochen frei und abwechslungsreich. Je nach dem, was gerade auf dem Plan steht, beginnt so ein Tag mit dem Schreiben, dem Einstudieren von Songs, Studio, Produktion, verschiedenen gestalterischen Aufgaben, die recht umfangreich sein können, zuletzt waren es auch Dreharbeiten, organisatorische Aufgaben und weniger romantisch: Büroarbeit. Zum Glück habe ich währenddessen auch mit Menschen zu tun, die mir nahe stehen, sodass die Arbeitszeit auch häufig die mit Freunden ist, auch gerade arbeitet meine Freundin an einer Jacke in der Werkstatt nebenan. Dann habe ich eine ganz zauberhafte Tochter, mit der ich viel Zeit verbringe und neben all dem und den alltäglichen Dingen, versuche ich mir auch ein bisschen Zeit zum Schlafen und Nichtstun vorzubehalten... so wie heute zum Beispiel. Live-Auftritte wären mal wieder ganz schön, aber um ehrlich zu sein, es gibt immer etwas zu tun.
J.D.W.E.: Du lebst in Berlin. Ich persönlich muss gestehen, dass ich es bis heute selber noch nie nach Berlin geschafft hab, was ich aber auf jeden Fall noch nachholen werde. Welche Eigenschaften genießt Du am meisten an einem Großstadtleben?
Benjamin Schmidt: Die Diversität ihrer Bewohner. Die Möglichkeit ein breites kulturelles und kulinarisches Angebot wahrnehmen zu können. Das "In-der-Menge-untergehen". Die vorherrschende Freakfreundlichkeit und natürlich Spätis. Spätis sind toll.
J.D.W.E.: Wenn jemand noch nie in Berlin gewesen ist. Welche Orte würdest Du einem jeden unbedingt ans Herz legen, um sie aufzusuchen?
Benjamin Schmidt: Ich würde einem jeden davon abraten, irgendwas unbedingt aufsuchen zu wollen, und sich stattdessen treiben zu lassen, sich auf die eigene Suche zu begeben. Es gibt ganz wunderbare Clubs und Bars, Museen, Parks, Friedhöfe, Theaterbühnen, charmante kleine Kinos, Buchhandlungen und Plattenläden. Und auch für mich nach über zehn Jahren noch vieles zu entdecken.
J.D.W.E.: Und gibt es auch etwas an der Stadt, das dir überhaupt nicht zusagt?
Benjamin Schmidt: Shopping-Center. Autos. Silvester. Mietwucher. Defekte Aufzüge. Die unverhältnismäßig rigorose Räumung vieler liebenswerter autonomer Freiräume, Wohn- und Kulturprojekte in den letzten Jahren. Und Berliner Pilsener mag ich auch überhaupt nicht.
J.D.W.E.: Du bist 1989 geboren. Wie würdest du deine Kindheit in wenigen Sätzen beschreiben? Würdest du sagen, dass du eine glückliche Kindheit gehabt hast?
Benjamin Schmidt: Ich hatte eine ganz normale Kindheit. Aber auch eine sehr schwierige, was hauptsächlich daran lag, dass ich schlecht angepasst war. Ich habe es versucht, glücklich gemacht hat es mich nicht. Dann habe ich es nicht mehr versucht, lief auch nicht viel besser.
J.D.W.E.: Wann bist du das erste Mal mit der Punk- bzw. auch der Gothic-Szene in Kontakt gekommen?
Benjamin Schmidt: Ziemlich früh, mit Zwölf oder Dreizehn. Meine große Schwester hatte es mir gewissermaßen vorgemacht. Und es gab da ein paar Sonderlinge in der nächstgelegenen Stadt, die auch nicht mehr versuchten dazuzugehören. Daneben waren vor allem Musik und Literatur ein wichtiger Zugang zur Szene.
J.D.W.E.: Du hast 2009 versucht Suizid zu begehen, was glücklicherweise nicht gelungen ist. Kannst du uns etwas über die Beweggründe dazu erzählen? Was war der ausschlaggebende Moment, wo du gesagt hast, es gibt keine andere Möglichkeit als diesen Schritt?
Benjamin Schmidt: Diese Frage ist kaum zu beantworten, denn über die Beweggründe ließen sich viele, viele Seiten füllen. Für mich gab es immer eine andere Möglichkeit, aber ich hatte eben keine Lust mehr auf Leben. Alles weitere würde wirklich den Rahmen sprengen. Ich will aber vorsichtig andeuten, dass es zu diesem sehr komplexen Thema in diesem Jahr eine interessante Veröffentlichung geben wird, in der ich mir den nötigen Raum nehmen durfte, meine Gedanken und Beweggründe sehr ausführlich zu schildern. Die erneute Auseinandersetzung mit meinem Suizidversuch nach so langer Zeit, war auch für mich sehr spannend.
J.D.W.E.: Wie hast du versucht dir das Leben zu nehmen? Und wie kam es zur Fügung, dass dieser Versuch missglückte. Hat dich jemand gefunden?
Benjamin Schmidt: Ich wollte mich mit einem Gitarrenkabel erhängen. Es lief nicht so gut, weil das Kabel nicht die erhoffte Haltbarkeit mit sich brachte. Ich fiel also einige Meter tief und brach mir die Wirbelsäule.
J.D.W.E.: Wie gehst du heute damit um, wenn du an diesen Moment denkst?
Benjamin Schmidt: Mit einem gut ausgewogenen Gefühls-Cocktail. Ein Drittel erinnerter Schmerz, ein Drittel vergebendes Bedauern und ein Drittel ehrliche Dankbarkeit. Vielleicht noch eine Prise schwarzen Humor.
J.D.W.E.: Du hast eine inkomplette Querschnittslähmung von diesem Versuch davongetragen. Was kann man sich darunter genau vorstellen?
Benjamin Schmidt: Das Rückenmark wurde beschädigt, aber nicht vollständig durchtrennt. Die Lähmungserscheinungen sind je nach Verletzung ganz unterschiedlich.
J.D.W.E.: Ich habe Bilder von dir im Rollstuhl gesehen, aber auch Bilder, wo du mit der Gitarre auf der Bühne stehst. Du bist also nicht immer auf den Rollstuhl angewiesen?
Benjamin Schmidt: Das ist richtig. Ich kann mittlerweile wieder ganz gut laufen, obwohl mir dafür weniger Muskeln zur Verfügung stehen und ich den Kontakt zum Boden nicht spüre. Das macht es auf Dauer sehr anstrengend und manchmal nahezu unmöglich, weshalb ich nach wie vor einen Rollstuhl brauche. Auf der Bühne tut es aber auch ein Barhocker.
J.D.W.E.: Viel von deinem Schicksal verarbeitest du mit deinen Büchern und du gehst sehr offen mit deinem Erlebten um. War das zu Beginn schwierig für dich so offen und ehrlich zu sein?
Benjamin Schmidt: Es ist ja nie so ganz leicht, immer offen und ehrlich zu sein. Schreiben an sich ist für mich sicherlich auch Selbstreflexion, in meinen Büchern denke ich aber weniger Ich-bezogen. Das heißt, ich will die Welt herein lassen und einen Austausch mit der Gedanken- und Gefühlswelt meiner Leser*Innen versuchen. Ein imaginäres Gespräch sozusagen. Und ein Gespräch macht ja keinen Sinn, wenn es nicht ehrlich ist. Ich versuche also, es mir dahingehend nicht zu leicht zu machen. Es ist ein Prozess und selbstverständlich möchte ich letztlich auch zur Enttabuisierung verschiedenster, Themen beitragen, die mir wichtig scheinen.
J.D.W.E.: Mit "Mein Mann von unter der Brücke" veröffentlichst du dein bereits fünftes Werk. Ich selber bin ja begeistert davon. Kannst du mir etwas über den Entstehungsprozess erzählen? Wie lange hast du daran gearbeitet?
Benjamin Schmidt: Zumindest das fünfte in der Edition Outbird. By the way: Danke für das einfühlsame Review, es war ganz hinreißend. Die Idee für die Geschichte entstand bereits vor einigen Jahren. Nach den ersten zwei Kapiteln stagnierte das Projekt aber für lange Zeit, da sich vor allem die Recherche als besonders schwierig und aufwühlend herausstellte. Ich hatte einige Zeit mit obdachlosen Menschen verbracht, aber die gesammelten Eindrücke wollten einfach keine Ruhe geben, sodass ich meinen Roman irgendwann einfach beenden musste. Dieses Buch habe ich mir lange gewünscht, daran geschrieben habe ich wohl - mit allem drum und dran - etwa ein Jahr?
J.D.W.E.: Und wie ist die Idee dazu entstanden?
Benjamin Schmidt: Mich hat die Essenz von Isolation und Obsession interessiert. Dem wollte ich in einer schaurigen Liebesgeschichte über Leben und Tod auf den Grund gehen. Obdachlosigkeit ist hier allgegenwärtig, gegenwärtiger als das, was in den privaten vier Wänden der meisten Menschen vorgeht. Ich fand es spannend, diese Welten einfach mal zu vermischen.
J.D.W.E.: Wie kann man sich einen Benjamin Schmidt beim Schreiben vorstellen. Hast du dafür ein bestimmtes Ritual? Manche können ja zum Beispiel nur mit einer vollen Kanne Kaffee oder einem guten Gläschen Rotwein wirklich kreativ werden.
Benjamin Schmidt: Ich brauche lediglich einen Ort, an dem ich mich wohlfühle und die nötige Ruhe habe. Ein aufgeräumter Schreibtisch, wenig Ablenkung und los. Gegen ein Glas Rotwein, ab und zu eine Zigarette, oder auch ein wenig Kerzenlicht, ist nichts einzuwenden, aber es gibt nichts, außer meinem Laptop, das ich wirklich brauche.
J.D.W.E.: Wie sehen deine Pläne bzgl. deinem literarischen Schaffen für die Zukunft aus. Arbeitest du schon am nächsten Projekt?
Benjamin Schmidt: Es gibt da einen alten Text in einem multimedialen Gewand sozusagen, über dessen Veröffentlichung ich derzeit noch sinniere. Außerdem eine beachtliche Ansammlung von prosaischer Lyrik, die ich dringend mal durchsehen müsste, und die ersten Kapitel eines neuen Romans, um den ich mich aber erst kümmern kann, wenn die Sache mit dem Drehbuch abgeschlossen ist. Ich merke gerade, dass es ein Fehler war, den Tag mit Weintrinken und Fernsehen zu beginnen.
J.D.W.E.: Aber kommen wir nun zu deiner Musik. Ich selber kenne deine Projekte Spinne am Abend und deine Tätigkeit als Gitarrist bei den Gruftschlampen, auf die wir gleich kommen. Gibt es noch weitere musikalische Projekte von dir?
Benjamin Schmidt: Nein. Derzeit nicht. Es gibt hin und wieder diverse Projekte, an denen ich mich beteilige, aber die beiden Grundpfeiler meines musikalischen Schaffens hast du bereits genannt.
J.D.W.E.: Wie hat deine musikalische Laufbahn begonnen? Was waren deine ersten Schritte?
Benjamin Schmidt: Leidenschaftliches Musikhören und dann Gitarrenunterricht. Kleinere Bandgeschichten. Einige Jahre Studium, was mich dann zusammen mit der inkompletten Querschnittslähmung eher von der Musik entfernte. Bevor ich bei den Gruftschlampen gelandet bin, vergingen viele, viele Jahre, in denen ich mich fast ausschließlich mit dem Schreiben befasste. Aber es fühlte sich von Anfang an richtig an, wieder auf der Bühne zu stehen. Das lag wohl vor allem an Brita und ihrer Bühnenenergie, aber auch am obligatorischen Sicherheitsbarhocker, an den ich mich mittlerweile gewöhnen konnte.
J.D.W.E.: Und wie hat dein Projekt Spinne am Abend dann konkrete Formen angenommen?
Benjamin Schmidt: Meine Freundin hat mich durch ihren schrägen Musikgeschmack dazu motiviert, auch meine eigenen Projekte wieder aufzunehmen und in die Tat umzusetzen. Ich habe daraufhin uralte Aufnahmen und Melodie-Fragmente ausgekramt und alles ziemlich spontan zu Songs zusammen... naja... gesponnen.
J.D.W.E.: Wenn Du einer Person, die noch nie einen Song deines Projektes gehört hat, die Musik mit nur zwei – drei Sätzen beschreiben müsstest, wie würdest Du das tun?
Benjamin Schmidt: Unangepasster, die Hörgewohnheiten herausfordernder, Düster-Punk mit ehrlichem Sound in einem anarchistischem Kreativ-Wirrwarr. Wäre diese Musik ein Kind, die Eltern würden sagen, es sei eben sehr speziell.
J.D.W.E.: Welche Bands und Künstler haben dich musikalisch am meisten beeinflusst bzw. auf deinem Lebensweg begleitet?
Benjamin Schmidt: Beeinflusst weiß ich nicht. Höchstwahrscheinlich alle, die mich begleitet haben? Aber die jetzt zu nennen... oh weh! Es begann irgendwie als ich klein war mit Heavy Metal und Metallica. Danach Deutsch-Punk und Schleimkeim-Shirts, deren Message ich für besonders scharfzüngig hielt. Später waren Joy Division und The Cure die cooleren Punks. Die Entdeckung von Lacrimosa entfachte schließlich die Faszination für alles, was man Gothic nannte (inkl. des PC-Games), endlich Musik zu der man sich „schlecht fühlen“ konnte. Mit Black und Death Metal und allen anderen extremen Subgenres, die stimmlich total entmenschlicht waren, setzte sich meine Sucht nach der musikalischen Hölle (eine bildliche Vorstellung hatte ich bereits durch Hieronymus Bosch) fort. Aber ich versöhnte mich auch mit Yes, Pink Floyd, Led Zeppelin und der ganzen eingestaubten LP-Sammlung meines Vaters, der ich persönlich dann sogar noch Alice Cooper und The Doors hinzugefügt hätte. Von Frauen gemachte Musik faszinierte mich dann zunehmend mit der Entdeckung von Diamanda Galas, Malaria, X-Mal Deutschland, Viv Albertine, zuletzt sogar Kovacs oder Gail Ann Dorsey, Deborah Coleman oder Nili Brosh. Also Jahre nachdem ich Sade für mich entdeckte und auch Jazzmusiker wie Marcus Miller und Al Di Meola meinen Horizont erweiterten. Klassik mochte ich dagegen schon immer, weil mich auch Filmmusik schon immer total in sich gefangen nahm. Wenn mir das zu aufregend ist, höre ich gerne elektronisches Zeugs, Jon Hopkins etwa, oder Ah! Kosmos. Allerdings nicht nur! Auch die Genre-Grenzen überschreitenden Sonderlinge wie Igorrr, Sleepytime Gorilla Museum, David Bowie oder Steven Wilson sind mir lieb und teuer. Ich höre die Beach Boys gerne, wenn es regnet, und Cradle of Filth im schönsten Sommersonnenschein. New Model Army könnte ich mir immer und immer wieder live ansehen und wenn ich jetzt noch einen Chansonnier wie Sebastian Krämer erwähne, dann wäre zumindest ein winziger Bruchteil genannt, den ich noch um ein paar Perlen aus meinem näheren Umfeld und Freundeskreis wie Dystopian Society, Malefixio oder auch Feline & Strange erweitern könnte... (ich hoffe, du fragst nicht auch noch nach literarischen Begleiter*Innen, dann liest vermutlich echt niemand mehr weiter, hehe)
J.D.W.E.: Die Zusammenarbeit mit Franziska Appel beim Song „Deplatziert“ find ich sehr spannend. Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?
Benjamin Schmidt: Franziska ist eine Freundin und eine Künstlerin, mit der ich häufig und gerne zusammenarbeite. Mit ihr habe ich auch den Erotik-Erzählband „Fuck[dis]Ability“ über Sex und Behinderung verwirklicht, für welchen sie nicht nur Bilder gemalt, sondern auch Texte geschrieben hat. Für das Artwork meines Debüt-Albums wollte ich unbedingt eines meiner, von ihr stammenden, Lieblingsgemälde mit dem Titel „Deplatziert“. Zudem bat ich sie, auch einen entsprechenden Text zu verfassen, um ihn hernach zu vertonen. Das Ergebnis ist eines meiner Lieblingsstücke des Albums. Neben Franziska und mir ist Hanna-Linn Hava zu hören, eine weitere Zusammenarbeit, die mir sehr am Herzen liegt.
J.D.W.E.: Fühlst du dich heute auch noch oft deplatziert in der Gesellschaft und wenn ja, wie gehst du damit um?
Benjamin Schmidt: Ja, durchaus. Aber wie damit umgehen? Das weiß ich nicht. Ich versuche einfach zu leben, etwas Schönes mit der vorhandenen Zeit anzufangen, dabei kein Arschloch zu sein und mich mit Menschen zu umgeben, die dasselbe versuchen.
J.D.W.E.: Einer meiner Lieblingssongs ist wohl "Der Junge und die Fledermaus", obwohl ich mich da wirklich schwer entscheiden kann. Ist der Song sehr persönlich?
Benjamin Schmidt: Dankeschön. Ja, der Song ist ein sehr persönliches Geschenk an „meine kleine Fledermaus“. Für alle anderen wird er bei weitem zu abstrakt sein, denke ich. Aber wie man sieht, weiß er dennoch zu begeistern. Das ist wirklich schön.
J.D.W.E.: Sind deine Lieder generell alle persönlich oder manchmal auch rein fiktiv?
Benjamin Schmidt: Ich denke, meine Kunst ist schon sehr persönlich. Auch meine Musik natürlich. Allerdings ist sie auch sehr abstrakt. Selbst Fiktion kann einen sehr persönlichen Kern in sich tragen und das ist es auch, was ich will. Ich möchte etwas Persönliches in einen größeren, künstlerischen Zusammenhang bringen. Ansonsten würde ich mich auch etwas zu wichtig nehmen, finde ich.
J.D.W.E.: Kannst Du Dir noch einen Song des Album aussuchen, vielleicht einen Song, der dir besonders viel bedeutet und mir die Geschichte davon erzählen?
Benjamin Schmidt: Auf Bandcamp findet man zu jedem Song einen Begleittext in wenigen Zeilen. Natürlich liegt mir das Album auch als Ganzes am Herzen, ich finde aber gerade „Einkaufen“ hervorhebenswert. Der Optimierungswahn von Liebesbeziehungen, die Vermarktung der persönlichen Pros und Kontras über Dating Apps und die daraus resultierende Erwartungshaltung, in der die Liebe nicht mehr als ein Zahlungsvorgang für eine Art Dienstleistung sein kann, ist etwas, das mir wirklich zu schaffen macht. Eine mögliche Geschichte dazu wird im Video erzählt, welches ich mit vielen helfenden Händen und wunderbaren Schauspielern und Schauspielerinnen verwirklichen durfte. Es hat so unfassbar viel Spaß gemacht. Nur in der kitschigsten Szene ist beinahe jemand an einer Weintraube erstickt.
J.D.W.E.: Wie wird es 2022 mit Spinne am Abend und den Gruftschlampen weitergehen?
Benjamin Schmidt: Für Spinne am Abend wird es weitere, sehr umfangreiche Dreharbeiten geben und ein Mini-Album, das innerhalb eines Experiments in nur 24 Stunden aufgenommen wurde. Und auch mit den Gruftschlampen wollen wir neue Songs präsentieren, wie genau, das wird sich zeigen. Vor allem hoffen wir aber auf ein paar Live-Auftritte.
J.D.W.E.: Und noch eine Spaßfrage zum Abschluss. Stell Dir vor, du würdest Urlaub auf einer einsamen Insel machen. Welche drei Gegenstände würdest du unbedingt einpacken? (abgesehen von den lebensnotwendigen Dingen)
Benjamin Schmidt: Gegenstände? Nun gut, gehen wir davon aus, dass es auf der Insel wirklich einsam bleiben soll: Ein gutes Buch. Eine Gitarre und... noch ein gutes Buch? Wie lange mache ich denn Urlaub?
J.D.W.E.: Ich bedanke mich vielmals für deine Zeit und deine spannenden Antworten!
Die Review zu "Mein Mann von unter der Brücke" findest Du übrigens HIER.
Interview: Manuela Ausserhofer
コメント