Im Sommer 2021 erschien via Edition Outbird ein ganz besonderes kleines Büchlein. "Die Walin" von Christian Mahlow bietet Leseunterhaltung auf einer ganz einzigartigen Gefühlsebene und der Kurzroman prägt sich dermaßen in Deine Seele ein, das Du ihn nicht mehr so schnell vergessen werden kannst. Erzählt wird eine wunderbar phantastische Parabel auf knapp 130 Seiten; eine Kurzgeschichte voller Verzweiflung & Hoffnung, voller Liebe & Schmerz...
Worum geht es?
Erzählt wird die Geschichte eines einsam wirkenden, namenlosen Mannes. Journalist und Besitzer einer Jahreskarte fürs Ozeanariums, seinem Lieblingsort. Jede Woche besucht er diesen Platz, nicht nur um Ruhe zu finden und in sich zu kehren. Nein, vielmehr zieht ihn sein Lieblingstier immer wieder aufs Neue dort hin. Ein Zwergwal-Weibchen. Eine Walin. Die eigentliche Bezeichnung "Walkuh" gefällt ihm nicht, deshalb nennt er sie immer wieder simple "seine Walin". Er sitzt bei ihr und hofft auf ihr Erscheinen, er spricht liebevoll mit ihr und man merkt schnell welch große Gefühle hier mitspielen. Es ist mehr als nur eine reine Faszination, es gleicht einer unerfüllten Liebe, einer Sehnsucht, die nicht erfüllt werden kann und nur die Nähe zu ihr scheint ihm das zu geben wonach er innerlich am sehnsüchtigsten sucht.
Doch eines Morgens beginnen sich die Geschehnisse zu überschlagen. Er steht wie gewöhnlich auf und will seinen vertrauten Tagesrhythmus beginnen, doch etwas scheint vor seiner Schlafzimmer-Tür zu liegen und versperrt ihm den Weg. Erst als er die Tür schließlich geöffnet bekommt, erkennt er, was für ein Koloss ihm zuvor den Weg versperrt hat. Es ist die Walin, die plötzlich mitten in seinem Wohnzimmer liegt. Er glaubt zu träumen. Er glaubt wahnsinnig geworden zu sein. Doch muss er mit der Zeit erkennen, dass er weder in einem Traum gefangen, noch von Wahnvorstellungen heimgesucht worden ist. Die Walin liegt wahrhaftig in seinem Wohnzimmer und nur er kann sie retten. Es beginnt ein Kampf voller Verzweiflung und Aufopferung. Das Wesen, das ihn stets am meisten fasziniert hat, ist nun auf seine Hilfe angewiesen, um überleben zu können. Doch der Weg dieses hilflose Wesen zu retten, entpuppt sich als steile Achterbahnfahrt voller Hürden und Hindernisse. Denn niemand scheint dem Mann zu glauben. Weder das Ozeanarium, noch die Polizei. Außerdem wird die Hilfe dadurch erschwert, dass das tonnenschwere Tier genau im Wohnzimmer vor der Eingangstüre liegt und somit niemand die Wohnung betreten kann. Was zugleich auch bedeutet, dass der Mann selbst die Wohnung nicht verlassen kann, um Hilfe zu holen. Die Lage scheint hoffnungslos. Die Anrufe verlaufen ins Leere und er wird am Telefon nur belächelt und als nicht zurechnungsfähig abgetan. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Sache selbst so gut er nur kann in die Hand zu nehmen.
Die Walin muss feucht gehalten werden, damit sie nicht austrocknet. Bald schon bilden sich erste Wasserpfützen in der Wohnung, die immer stärker ansteigen. Außerdem braucht er Fisch, denn die Walin darf auf keinen Fall verhungern. Der Kreislauf der Verzweiflung und Hilflosikgkeit nimmt solch drastische Formen an, dass er sich bald dazu gezwungen sieht seine Wohnung mit Wasser zu fluten, um der Walin etwas mehr Komfort zu bieten, doch die Wassermengen bleiben natürlich nicht unbemerkt und schon bald meldet sich der erzürnte Nachbar vom unteren Stock, der einen ordentlichen Wasserschaden in seiner Wohnung hat... Die Lage scheint aussichtslos. Er ist es einzig und allein, der seiner großen Liebe helfen kann und genau er ist es, der dazu offensichtlich nicht in der Lage ist. Die Verzweiflung beginnt zu wachsen und es entwickelt sich ein wahrhafter Strudel aus Versuchen und Scheitern...
Ob es dem Mann gelingt die Walin (und sich selber) zu retten, möchten wir an dieser Stelle nicht verraten. Eins können wir aber auf jeden Fall vorweg nehmen: Diese einfühlsame Geschichte geht einem sehr nah, berührt das Herz und die Seele und man fiebert von der ersten bis zur letzten Seite des Kurzromans mit. Man möchte selbst eingreifen und helfen. Es entstehen lebhafte Bilder im Kopf, die sich Stück für Stück zusammensetzen und die diese phantastische Reise nur noch verstärken. Die Geschichte ist an und für sich schon sehr bildhaft und detailreich erzählt, so dass es einem als Leser leicht fällt schnell von der Erzählung und von dem sich bildenden Sog gefangen genommen zu werden. Man taucht ein in eine Welt voller Verzweiflung und blinder Liebe und untermalt wird die Geschichte von einigen perfekt inszenierten Schwarz-Weiß-Zeichnungen der Künstlerin Joelle Vanderbekes, die auch für die Cover-Grafik verantwortlich ist.
Es wird ein gnadenloser Überlebenskampf geschildert. Einfühlsam, fesselnd und bildreich. Mir persönlich, als große Liebhaberin der Werke Kafkas, gefiel vor allem, dass diese Geschichte so viel Raum für Deutungsmöglichkeiten bietet. Und dabei gibt es kein falsch oder richtig. Jeder soll für sich selber eine Erkenntnis daraus ziehen und das macht aus diesem Kurzroman viel mehr als man anfangs vielleicht denken mag. Es ist ein Drahtseilakt zwischen Liebe und Verzweiflung, zwischen Aufopferung und Hiflosigkeit und vor allem zwischen Leben und Tod.
Daumen hoch!
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